Reinhard Döhl | Zur Ausstellung Luciano Lattanzi in der Galerie Elitzer / Saarbrücken

1. Wie Werner Schreib würden wir In einer ersten Annäherung auch Luciano Lattanzi  als einen methodischen Künstler bezeichnen und als sein Programm das automatisch aus sich selbst entstehende Bild. Das bedeutet, daß der Künstler während des Arbeitsvorgangs kein vorgeplantes Ergebnis vor Augen hat, auf das hin er arbeitet, daß seine Bilder also keinen vorkonzipierten oder vorkonzipierbaren Inhalt haben, daß sie nicht analytisch, also keine Interpretation von Welt sind. Vielmehr entstehen sie schrittweise, von Entscheidung zu Entscheidung, kontrollierbar jeweils nur in jenem Bildabschnitt, der sich gerade "im Arbeitsprozeß befindet" (Lattanzi). Und das besagt zugleich, daß das Ergebnis nicht nur für den Betrachter, sondern ebenso für den Künstler überrraschend erscheinen kann.

2. In Luciano Lattanzi dies methodisch betreibt, handhabt er einen Stil, den wir digitalen Stil nennen, indem er eine ästhetische Welt in endlich vielen kleinen Schritten (= Alternativen) aus einem genau kalkulierten Repertoire aufbaut. Luciano Lattanzis Repertoire lautet dabei: vertikal, horizontal, kreisrund, zickzack, wellenartig, gekreuzt, spiralförmig, - und ließe sich fraglos noch strenger differenzieren. Ein solches Repertoire enthält die Elemente möglicher ästhetischer Welten in einem ungeordneten Zustand. Jeder Ordnungsprozeß als eine durch die Phantasie, das Auge, die Hand des Künstlers gesteuerte Kombination "einfacher Elemente mit begrenzter Verschiedenheit" intendiert dabei eine neue ästhetische Welt, eine neue ästhetische Botschaft. Luciano Lattanzis Bilder zeigen das im Nebeneinander eben so wie die "Unermeßlichkeit der Felder der Möglichkeiten" (A.A.Moles), den Weg vom singulären Zeichen zur Zeichenstruktur zum Superzeichen (umfassenden Zeichen)..

3. Aus diesem Grunde würden wir  von den Arbeiten Luciano Lattanzis auch als von möglichen Mustern oder Modellen sprechen, wobei diese Muster oder Modelle zu kennzeichnen wären als Variation, Addition, Multiplikation, Adjunktion und Integration eines vorgegebenen Repertoires. Historisch kann man eine solche Malerei innerhalb eines Entwicklungsprozesses sehen, der seine Wurzeln wohl in der Romantik hat (theoretisch z.B. in den Fragmenten der Schlegel/Novalis), seine Väter in der Kunstrevolution um die Jahrhundertwende (im Futurismus/ z.B.; bei Klee, Hölzel, Wols, Pollock usw.); eine Entwicklung, die zum Primat der Mittel, zur Malerei als bewußt handwerklichem Prozeß, zur Reduktion auf die Variation eines Modells führte. Innerhalb dieser Entwicklung hat nun Luciano Lattanzi seinen genau bestimmbaren Platz, indem sie die Tendenz der Reduktion auf die Variation eines Modells noch einmal verschärft, indem er noch das Repertoire des Modells auf die einfachsten Zeichen reduziert.

4. Unter diesem Aspekt würden wir Luciano Lattanzi noch als einen progressive Maler ansehen und seine Arbeiten als Stationen auf dem Wege von einer analytischen zu einer synthetischen Malerei, als ästhetische Demonstrationen (und/oder  Demonstrationsobjekte) des "Übergangs von einer analytischen zu einer synthetischen Welt" um noch einmal A.A. Moles zu zitieren).

5. Schließlich würden wir Luciano Lattanzi noch als einen  intellektuellen Maler bezeichnen, mit dem präzisierenden Zusatz: daß ihre Kunst (weit entfernt vom tierischen Ernst vieler Kollegen) wesentlich ästhetisches Spiel ist, in Gang gesetzt und unter ständiger Kontrolle von Phantasie und Intellekt, die die Spiele der Feder oder des Pinsels, des Handwerkzeugs und dessen Spielregeln jeweils neu erfinden.

6. Und - um es auf die Arbeiten Lattanzios umzumünzen - würden wir sagen, was Sie hier in dieser Ausstellung sehen, sind die methodisch erzielten Ergebnisses eines intellektuellen Spiels, die ihre Existenz nicht mehr den Impulsen einer Außenwelt, vielmehr der Methode, den Spielregeln, den ästhetischen Gesetzen des Spiels verdanken. Luciano Lattanzis Arbeiten zeigen das ebenso deutlich, wie man an ihnen auch deutlich ablesen kann, daß Kunst ein urteilender Vorgang ist. Das Betrachten sollte es auch sein, (und das umso mehr, als man auf diesen Arbeiten sehr gut 'lesen' kann.) Wir brechen hier ab -

7. Kunst - so hat man gesagt - ist ein Gegenstande zum geistigen Gebrauch - und Spiel, wie wir hinzufügen wollen. Die Arbeiten Luciano Lattanzis, dier sie hier ausgestellte sehen, sind solche Gegenstände."

14. März 1964, vorgetragen zur Ausstellungseröffnung Luciano Lattanzi in der Galerie Elitzer / Saarbrücken, im April 1964 umgeschrieben als "Prolegomena zu einem Stil. Zur semiotischen Malerei Luciano Lattanzis & Werner Schreibs"