Heftiger Wind fegt
die Akazienblüten
von den Bäumen.
Auf der Reise nach Jerusalem
war ihr Stuhl stets besetzt.
rd
Jetzt schweigt der Reiter,
die Reise beginnt weitab
der weißen Glocken.
Am blauen Klavier trauert
Theben so früh um den
Freund.
ch
Wa min tab ihi
anuha jatelahu
wanu bilahum.
Nicht dechiffrierbar für
die
Nachrichtendienste der Welt.
rd
Flieh ins Anderland,
raunt mein Vaterbruderfreund,
horche nicht zurück.
Hier ducken und winden sich
selbst Weise im Wörterfrost.
ch
In der Schafskälte,
jetzt, nach den Eisheiligen
lese ich vom Tod
einer jüdischen Freundin.
Lashana haba'a Bijrushalajim!
rd
Knospen, sie scheuen
den Sturm. Die Tage haben
sich gegen uns verschworen.
Und ich möchte auffliegen
mit den Zugvögeln
fort.
ch
Wolken gehen und
kommen. Der Ruf des
Kuckucks
blieb aus dieses Jahr.
Von gestern her höre
ich
eine alte Melodie.
rd
Früh muß der Fremdling
dies andre Nest verlassen.
Ich möcht aus der
Welt.
Hoch oben in den Kiefern
ertönt eine kleine
Terz.
ch
Müde und erschöpft
von den Kreuz- und Querzügen
der Poesie in
diesen Landregentagen
ruft jetzt plötzlich
ein Kuckuck.
rd
Niemand stieg mit dem
Kuckuck auf den Turm. Wer
löst
das Feuerrätsel?
Die frühe Apfelblüte
treibt aschgrau durch mein
Gedicht.
ch
Den Kopf mit Asche
über und über
bestreut
betritt er den Markt.
Zeigt uns das nicht das
erste
Ochsenbild? Kai to do
men!
rd
Peitsche und Zügel,
Ochse und Hirt sind spurlos
zu Nichts geworden.
Doch weiß ich nicht
mehr, wo ich
mich vor dieser Welt
befand.
ch
Zum Ursprung zurück-
gekehrt sind die Gewässer
grün, die Berge blau.
Rote Blumen blühen
rot.
Heute ist Siebenschläfer.
rd
Vom Rosenmonat
an duftet mir Lavendel
übers Jahr hinweg.
Die wilde Mauer verblüht,
rankt und treibt in einem
fort.
ch
Wir möchten gern
da
und dort und allenthalben
sein und sind doch stets
nur auf einem einzigen
Fleck
der unser Dasein einschränkt.
rd
Blühe, Windrose, blüh'
unter lindgrüner Eiche
bei meiner Buchbank.
Lang ließ der junge
Sommer
im Regen auf sich warten.
ch
Sieben vorbei und
Acht verweht beim
Stelldichein
mit der Windrose.
Have you said Hello
to a foreigner today?
rd
In der Straße der
Bildersprache seh' ich
Fremde mich grüßen,
und zu meinem Gegenbild
legen sie mir Spuren frei.
ch
Spuren verlaufen
im Sand. Regen, Sonne und
Wind löschen sie aus.
Nichts wird sein wie es
war, wenn
das Fremde gegangen ist.
rd
Unerschöpflich scheint
das Fremde, Tag und Nacht
wächst
es mit jedem Wort.
Sein Schattenspiel schafft
Chaos
auf sonnentrunkenem Grund.
ch
Der Bussard, der, auf
Beute gierig, hoch über
der Klinge seine
Kreise zieht - auch er wird
vom
Schatten verfolgt, dem er
folgt.
rd
Diese Systeme
winziger Katastrophem
begrenzen die Norm.
Wir zählen dann
die Sterne
und trinken das Rote Meer.
ch
Kannst du die sieben
Sterne zusammenbinden
oder das Band des
Orion auflösen am
Ufer des Roten Meeres?
rd
Vierzig Jahre lang
folge ich wandelbaren
Säulen aus Feuer
und gleich unsteten Wolken
läßt mich die
Sehnsucht irren.
ch
Schon liegt Ägypten
weit hinter und nur Wüste
noch vor uns. Habe
ich sie durchquert, treffen
wir
uns an der Klagemauer.
rd
Bruder, geh für mich
zur Mauer der Väter,
geh
jetzt vor aller Welt.
Klage das Jobeljahr ein
für alle Sklaven der
Macht.
ch
Vergessen sind die
Worte der Väter, das
Recht
wohnt nicht mehr in der
Wüste, und auf dem
Acker
haust die Gerechtigkeit
nicht.
rd
Wir bauen um uns
manch bunte Himmelsmauern.
Vorhof des Todes.
Auf dem Weg, der uns lieb
ist,
welkt die Hand am Fenstergriff.
ch
Angekommen in
der Vorstadt der Bläue,
fin-
det Steine sie in
den Betten der toten
Seen,
sieht sie die Traumstadt
versteint.
rd
Sie hört aus Gräbern
dies gewaltige Gehen
der Menschenalter.
In den Zedern psalmodiert
der Wind bildreiche Weisen.
ch
Über meiner Haus-
tür nisten Jahr für
Jahr die
Gartenrotschwänzchen.
Auch Vögel säen
nicht und
ernten doch Lob für
ihr Lied.
rd / ch
So die Lilien;
sie blühen schöner
im Feld
als Salomos Ruhm.
Auch wenn über den
Jordan
ich gehe, wird es so sein.
ch / rd
Ich bin schwarz aber
gar lieblich, seht mich
nicht an,
daß ich so schwarz
bin.
Das Portrait meines Freundes
läßt jetzt soviel
Raum für mich.
rd / ch
Was bleibt, stiften die
Liebenden, sagen Dichter.
Glückliches Schweigen.
Die Mauern stehn sprachlos
kalt
im Wind klirren die Fahnen.
ch / rd
Ich will aufstehen
und in der Stadt umgehen
und finde ihn nicht.
Er fiel während der
Träume
vom Frieden, steht auf dem
Stein.
rd / ch
Die Lüfte treiben
mürbes Laub vor die
Füße.
Ich kommen zurück.
Lashana haba'a Bijrushalajim!
Bashana haba'a Bijrushalajim!
ch / rd
Erstlesung 15.7.1995 in Stuttgart/Vaihingen:
Literatur im Zirkuszelt