reinhard döhl | gedichte | aus den botnanger sudelheften /2

januar | 1. woche
 
in sand setzen
in schnee schreiben
in wind sprechen
 
entschieden
nur seinen todestag zu feiern
ging er geburtstagen aus dem weg
die blumenuhr konnte er lesen 
die sprache der vögel verstehen 
die sprache der menschen blieb ihm fremd
 
ende einer inszenierung
eintauchen, wo das grau weicht
und die farbe ins und
verkehrt auf dem esel zeit sitzend
verkehrt auf dem esel sitzend
auf der verkehrten zeit
 
dem tod ins auge sehen
beide augen zudrücken
einverstanden sein
wegen seiner einsilbigkeit gerügt
antwortete er gerade erst das alphabet beherrschend
sei ihm einsilbigkeit schon recht
 
raum für notizen

januar | 2. woche
 
lebensabend 
schöne aussichten
talschluß mit gallenklinge
 
gefragt, wie es ihm heute gehe
bat er darum, dies erst morgen
beantworten zu dürfen
die wahrheit
eine alte frau
mit alzheimer
 
akademische karriere
habilitation 1979
rehabilitation 1999
befiehl du deine wege
und laß mich meine gehn
ich finde mich schon zurecht
 
zukunft
gegenwart
vergangenheit
urologie
befiehl dem herrn deine harnwege
wem denn sonst was denn sonst
 
raum für notizen

januar | 3. woche
 
immer auf der suche nach
was er nie gefunden hat
liebe
 
als sie sich nichts mehr 
zu sagen hatten begannen sie
sich zu begreifen
als er ihr begegnete
als sie ihm entgegenkam
als es geschah
 
sie waren sich sicher
sie waren sich ganz sicher
das verunsicherte sie
eine nacht mir ihr
nur eine und einen tag
einen tag nur mit ihr
 
zwei laub auf einer linden
zwei laub auf einer linden
ein wind ein wind
ganz hingegeben
hingegeben
weg
 
raum für notizen

januar | 4. woche
 
darunter konnte er sich nichts vorstellen
darüber wußte er nichts 
dazwischen war er beschäftigt
 
unbrauchbar in dieser welt
für nichts nütze
eine randexistenz
einfältig
konnte er nicht bis drei zählen aber 
er wußte daß zwei mal zwei fünf ist
 
nicht mehr er selbst sein wollte er 
allenfalls doppelgänger
lieber noch außenseiter
gefragt, warum er nicht
mit den wölfen heule, antwortete er
er sei unmusikalisch
 
tagträumer
blindgänger
hoffnungsschöpfer
immer wollte er mit den vögeln aufstehn
wenn die nächte länger wurden
scheuchte er sie manchmal aus den federn
 
raum für notizen

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