Will man das, was Ulrich Zeh in den 80er Jahren besonders beschäftigte, vom Gegenstand her beschreiben, müßte man zwischen dem Thema Sport und dem Thema Landschaft unterscheiden. Oder anders ausgedrückt: zwischen Bildern, auf denen der Mensch in einer Situation extremer Anspannung, zumeist als Torso, erscheint, und Bildern von Landschaften, auf denen der Mensch merkwürdig ausgespart bleibt. Daß sich diese beiden Themen nicht gegenseitig ausschließen, vielmehr kontrastiv einander zugeordnet sind, ist auch dann anzumerken, wenn ausschließlich von den "Landschaften" oder den "SportBildern" Ulrich Zehs geredet wird.
Dazu ist es zweitens vernünftig, sich die Werkentwicklung Ulrich Zehs in groben Zügen gegenwärtig zu machen, eine Entwicklung, die in ihrer Entscheidung für die Gegenständlichkeit unbeirrbar blieb, die sich dabei aber durch eine zunehmend technische Breite und Beherrschung auszeichnet. Und die schließlich, in Umkehrung ihrer Ausgangsposition, bei der die inhaltliche die ästhetische Aussage dominierte, seit Jahren eine eigentümliche Intensität erreicht hat.
Innerhalb dieser Entwicklung bleiben - drittens - Mensch und Landschaft thematische Konstanten, die in unterschiedlicher Bezüglichkeit von Anfang an in Ulrich Zehs Arbeiten begegnen, in den Zeichnungen und Radierungen der 70er Jahre ebenso wie in den Ölbildern, Zeichnungen und Radierungen der 80er Jahre.
Eine Gliederung der Werkentwicklung Ulrich Zehs könnte mit den frühen Bleistiftzeichnungen, dann den Sportzeichnungen und -radierungen der Jahre 1968 bis 1970/1971 beginnen. Zeigten diese den Menschen im Käfig der Isolation oder Disziplin, führen die Arbeiten der folgenden Jahre ihn in den Zwängen unwirtlicher Großstadt und technischer Zivilisation vor. Nicht von ungefähr ist "Stadtlandschaften" ein bezeichnender Serientitel der Jahre bis 1975.
Taucht Natur auf, ist sie merkwürdig verkrüppelt und verdorrt. Aber Ulrich Zeh schmuggelt auch ein Bildelement ein, das der flüchtige Betrachter leicht übersieht: den Löwenzahn. Nicht als den Bettsoicher, den sich das Schwäbische aus dem franzischen pissenlit anverwandelt hat. Auch nicht als das Unkraut, gegen das Stadtgärtner und Häuslebesitzer immer noch mit Ausstecher und Giftspritze zu Felde ziehen. Bei Ulrich Zeh ist der Löwenzahn vielmehr in seiner eigentlichen Funktion zu verstehen, als Pionierpflanze, die das Land dort erobert, wo für zarteres Leben die Bedingungen noch zu hart sind, da er mit seinen tiefreichenden Wurzeln das verhärtete Erdreich auflockern, aus den verschütteten Schichten Nährstoffe heraufholen kann.
Auf eine derart vordergründige lkonographie kann Ulrich Zeh Mitte der 70er Jahre verzichten, als er - in einer intensiven Auseinandersetzung mit Caspar David Friedrich - beginnt, der zitierten Realität unserer technischen Zivilisation und ihren Stadtlandschaften das ästhetische Zitat entgegenzustellen, zitierte Naturmalerei der architektonisch zerstörten Natur zu kontrastieren. Verdeutlicht man sich, daß dabei nicht nur zivilisatorische Architektur die romantische Landschaft, sondern daß im Gegenzug die zitierte Landschaft Caspar David Friedrichs auch die reale Industrie- und Stadtlandschaft in Frage stellt, wird vielleicht deutlich, warum die Auseinandersetzung mit Caspar David Friedrich als wesentlicher Schritt in der Werkentwicklung Ulrich Zehs angesehen werden kann.
Dennoch benötigt Ulrich Zeh nach dem eher vordergründigen Bildelement Löwenzahn immer noch den Kontrast, den Gegensatz der zitierten romantischen Landschaft für seine Versuche, unsere reale Industrie- und Stadtlandschaft ästhetisch in Frage zu stellen. Erst dort, wo in den "Gestörten Idyllen" die Stadt immer mehr an die Peripherie der Landschaft rückt, um schließlich etwa gleichzeitig mit den Menschen aus ihr zu verschwinden, gelingt Ulrich Zeh der endgültige Schritt nach vorn. Nicht zufällig werden jetzt in die Arbeiten künstliche Einschnitte und Farbskalen integriert, die im Übergang von einer primär inhaltlich bestimmten zu einer eher ästhetisch orientierten Arbeitsweise zusätzliche Verweisfunktion haben.
Bezeichnenderweise gelingt es Ulrich Zeh auch erst jetzt, seine Bildideen in Ölmalerei umzusetzen, und damit der entscheidende Schritt vom Zeichner zum Maler. Und zwar, will man es datieren, im Jahre 1982 mit den sogenannten "Weißen Bildern". Der mit ihnen einsetzenden intensiven Auseinandersetzung mit Landschaft stellen sich schließlich 1984 "SportBilder" kontrastiv zur Seite, womit der werkgeschichtliche Exkurs wieder bei seinem Ausgangspunkt angekommen wäre, bei der Doppelthematik der Zehschen Malerei.
Ausführlich ist diese Doppelthematik und die Werkentwicklung bis zu Beginn der 80er Jahre dokumentiert in der 1985 anläßlich einer Retrospektive im Hornmoldhaus in Bietigheim-Bissingen erschienenen Monographie "Stadt & Landschaft weiß".
Zwei daran anschließende thematische Kataloge, "SportBilder" (1986) sowie "Farb-Landschaften & Ereignisse" (1987) sind inzwischen vergriffen. Es schien deshalb sinnvoll, die künstlerische Entwicklung Ulrich Zehs in den 80er Jahren erneut monographisch zu dokumentieren. Wie schon "Stadt & Landschaft weiß" ist auch diese zweite Monographie über den Künstler in freundschaftlicher Diskussion entstanden, zeichnet der Künstler für die Auswahl der Abbildungen und ihre Anordnung verantwortlich, die die Gegenstände Landschaft und Sport durchaus mischt, da diese zunehmend ihre Selbständigkeit als Werkteil zugunsten der beides verbindenden Farbereignisse verlieren. Kommentiert wird dieser Bildteil durch Mappen- und Katalogtexte, Eröffnungsreden und literarische Texte, mit denen Freunde und Bekannte die künstlerische Entwicklung des Malers, Zeichners und Grafikers begleitet haben. Neu aufgenommen sind, jeweils größere Werkphasen abschließend und kommentierend, Ausstellungskritiken in Auswahl. Hinzu kam ferner die Mitarbeit jüngerer Kunsthistorikerinnen, wobei der Herausgeber vor allem Ute Bopp, M.A., und Sibylle Mockler, M. A., zu danken hat. Schließlich sind auch diesmal, wie schon bei früheren Veröffentlichungen über Ulrich Zeh, Künstler, Herausgeber und Mitarbeiter Peter Wiedmann für sein freundschaftliches Engagement zu besonderem Dank verpflichtet.
Aus: Ulrich Zeh. Farblandschaften und -ereignisse. Hrsg. von R.D., zus. mit Ute Bopp und Sibylle Mockler. O.O. [Stuttgart]: Eine Edition des Schwarzen Lochs o.J. [1991]