Reinhard Döhl
KreuzWegStationen
Die 14 KreuzWegStationen stehen im künstlerischen Werk R.D.s in zwei Zusammenhängen. Einmal in einer seit den 50er Jahren immer wieder neu ansetzenden Auseinandersetzung mit dem Thema Kreuz (was anläßlich der Installation der KreuzWegStationen in der Pauluskirche dokumentiert ist). Zum zweiten gehören sie in den Kontext der "Schwarzen Bilder" seit 1990, die an das Mallarmé-Projekt anschließen, und dort speziell an die Werkgruppe der "Neants".
Die schwarzen Bilder
gehen von zwei Voraussetzungen aus, von der Überzeugung Renoirs, daß Schwarz die Königin der Farben sei, und von dem Diktum Adornos, radikale Kunst heute heiße soviel wie finstere, von der Grundfarbe Schwarz. Dabei sind die "Schwarzen Bilder" konkret, insofern sie nicht abbilden. Sie geben keine Realität wieder, die außerhalb ihrer wäre, und beziehen sich auf keine Realität, die außerhalb ihrer ist. Sie bezeichnen ausschließlich sich selber und stellen ausschließlich ihre eigene Realität vor. Sie auf sie einzulassen, verlangt vom Betrachter nicht mehr, aber auch nicht weniger als: sich mit ihnen einzulassen. Sie erschließen sich in dem Maße, in dem der Betrachter bereit ist, sich ihnen zu öffnen. Ist er zu diesem meditativen Umgang mit ihnen nicht bereit, bleiben sie ihm verschlossen. Insofern sind sie auch hermetische Malerei.
Die Ausstellung
der KreuzWegStationen dokumentiert ihre Vorgeschichte, soweit sie Auseinandersetzung mit dem Thema Kreuz ist. Sie versteht sich darüber hinaus als eine Installation in einem Raum, in dem das Thema Kreuz traditionellerweise eine besondere Rolle spielt. Bezogen auf diese besondere und oft zu festgeschriebene Rolle stellt die Installation Fragen.
Dokumentation
- 2 Fotografien, Mitte der 50er Jahre
Zur Installation gehören
- die Holzschnittfolge "Das Kreuz mit der Kirche"
Die KreuzWegStationen
bestehen aus einer Folge von 13 schwarzen und einem weißen Kreuzbild, die durchaus an die traditionellen Kreuzstationen erinnern sollen und im Idealfall in einer Kirche plaziert gedacht sind, dabei allerdings eine eher unübliche Auseinandersetzung mit dem Thema Kreuz darstellen. Jede KreuzWegStation ist das Resultat eines Meditationsvorgangs, ausgehend von einer verkürzten, strikt beim Wort genommenen Kolosser-Stelle: [...] und ausgetilgt die Handschrift und an das Kreuz geheftet. Dabei wird auf der Leinwand mit einem Aquarellstift der Umriß eines Kreuzes, das sich auch fünf Quadraten zusammensetzt, gezeichnet, zumeist in seine obere Hälfte ein kurzer Text oder ein kreuzbezogenes Kompositum (z.B. Kreuzworträtsel) eingeschrieben und permutiert (z.B. zu: Rätselwort Kreuz), was durchaus an die Behandlung von Buchstabe, Silbe, Wort in Mystik, Magie, Kabbala etc. erinnern darf. Danach wird die Kreuzform mit Papiertaschentüchern (die ja aus Zellulose, also aus Holz hergestellt sind) zugedeckt, was die Einschrift auszutilgen beginnt. Endgültig dem Augen entzogen wird sie durch Einschwärzen zunächst der Kreuzform, dann des ganzen Bildes, bis schließlich nur noch so etwas wie ein Schweißtuch des Kreuzes sichtbar bleibt. Der Entstehungsvorgang vollzieht derart mit ästhetischen Mitteln den Weg ins Pascalsche neant, das zenbuddhistische mu (= Nichts), der im sprunghaften Wechsel von den 13 schwarzen zum 14. weißen Kreuzbild angedeutet ist. Die KreuzWegStationen laden (im Rahmen der Schwarzen Bilder) den Betrachter ein, sich auf einen analogen, ihm gemäßen Meditationsweg einzulassen, der unter Zurücklassung allzu konkreter Besetzungen letztlich über das Kreuz hinausführt. Ursprünglich sollten die KreuzWegStationen eine langfristige Auseinandersetzung abschließen, gleichsam das Ziel eines KreuzWegs (= do) sein. Die in den letzten Wochen in Rom entstandenen, vom sogenannten "Spottkruzifix" ausgehenden Aquarelle zeigen jedoch, daß die KreuzWegStationen lediglich eine Station auf diesem Weg sind, ihre Station im Kontext der Schwarzen Bilder. An dieser Stelle stehen sie zugleich im Dialog mit Arbeiten befreundeter Künstler, mit den Bildstöcken, Feldzeichen, Kreuzfiguren der Bildhauerin Gerda Bier, den Totentänzen Pierre Garniers und Ulrich Zehs Auseinandesetzung mit dem Isenheimer Altar. Darüber hinaus stehen sie im Kontext anderer (schwarzer) Kreuze in der Kunst des 20. Jahrhunderts, für die stellvertretend Arbeiten von Malevich und Arnulf Rainer genannt seien. Aber sie verweisen auch in einer sehr persönlichen Beziehung auf das schwarze Kreuz, mit dem der Wandsbeker Bote seiner "Parentation über Anselmo" abschloß.
Texte der Kreuzwegstationen (Auswahl)
kreuzwegstation
im kreuzgang stehen
kreuzworträtsel
kreuzschockschwerenot
im anfang war das wort
Zitate zu den KreuzWegStationen
Die klare Ruhe der vertikalen und horizontalen Kompositionen Sophie Taeubers [...] Eine sanfte Stille strömte aus ihren Farben-und Flächenbauten [...] Die wesentlichen Elemente des irdischen Bauens [...]: das Aufrichten, Emporragen, das Aufrechte des klaren Lebens und das Waagrechte, das Ausgestreckte, Lagernde der Sinnen den Ruhe. [Sophie Taeubers] Arbeit wurde für mich ein Sinnbild für das göttlich gebaute "Geschäft" [...] Die Jahre, während deren wir uns ausschließlich mit Papierbilder, Stoffbildern, Stickereien, mit den neuen Materialien beschäftigten und in denen wir uns der Ölmalerei enthielten, wirkten auf uns wie eine Reinigung, wie geistige Übungen, wie Exerzitien, so daß wir schließlich die Malerei wieder in ihrer ursprünglichen Reinheit begriffen [...] Uns schwebten Meditationstafeln, Mandalas, Wegweiser vor. Unsere Wegweiser sollten in die Weite, in die Tiefe, in die Unendlichkeit zeigen.
(232) Die unendliche Bewegung: der Punkt, der alles erfüllt, der Augenblick in Ruhe: unendlich ohne Größe, unteilbar und unendlich.
[Mu/Nichts]
[Kreuz]
Vorhanden im Nichtvorhandenen.
[1992]