Mit diesem Satz endet eine letzte, erst aus dem Nachlaß veröffentlichte Erzählprosa Wilhelm Raabes. Man hat lange angenommen, dieser Satz markiere Raabes "Altershausen" als Fragment. Inzwischen sind wir uns ziemlich sicher, daß Raabe hier den Punkt gesetzt hat für den Text als ein offenes Zitier- und Verweissystem in einem Schreibverfahren, dessen Struktur sich immer deutlicher der Collage annäherte, in einer Tradition, auf die ich hier nicht weiter eingehen will.
Alle drei (also Film, Funk und Fernsehen) zeichnen sich dadurch aus,
Meine These: Auch der Netzautor holt sich Kompetenzen zurück, bündelt sie als Programmierer, Operateur, Dirigent, der seinen Text verwaltet, und unterscheidet sich schon dadurch vom traditionellen Printautor, der lediglich ein abgeschlossenes Manuskript abzuliefern hatte, vom Film- oder Hörspielautor, der - wenn er nicht nur die Vorlage lieferte - ein Drehbuch abzuliefern hatte.
Bevor ich hier auf die Frage des Netzautors, das Postulat vom Tod des (traditionellen) Autors, eine These, die bereits in den 60er Jahre im Umkreis des Noveaux Roman und damit in einem ganz anderen Zusammenhang diskutiert wurde -
Bevor ich hier auf das Postulat vom Verschwinden des Autors im Internet weiter eingehe, sei mir noch eine Vorgabe erlaubt. Alle bisherigen Untersuchungen zur Geschichte der elektronischen Medien haben ergeben - vor dem Hintergrund übrigens, daß die Medien Funk und Internet ursprünglich für ganz andere als künstlerische Bedürfnisse entwickelt wurden -
[Weiteres Beispiel: 1928 geht der Rundfunkintendant Hans Flesch von der Möglichkeit aus, "daß neben der Vermittlertätigkeit des Rundfunks auch ein eigener Kunstausdruck im musikalischen Sinne zustande kommt. Wir können uns heute noch keinen Begriff machen, wie diese noch ungeborene Schöpfung aussehen kann. Vielleicht ist der Ausdruck 'Musik' dafür gar nicht richtig. Vielleicht wird einmal aus der Eigenart der elektrischen Schwingungen, aus ihrem Umwandlungsprozeß in ankustische Wellen etwas Neues geschaffen, das wohl mit Tönen, aber nichts mit Musik zu tun hat; ebenso wie wir davon überzeugt sind, daß das Hörspiel werde Theaterstück, noch Novelle, noch Epos, noch Lyrik sein wird."]
Was Weill [was Flesch] hier als eine (absolute) Radiokunst vorschwebte, realisierte sich nämlich erst nach 1945 im "Studio" bzw. im "Club d'Essay" des Französischen Rundfunks bei Entwicklung einer musique concrète durch Pierre Schaeffer, bzw. im Mailänder Studio und den Studios des Westdeutschen Rundfunk bei den ersten Experimenten mit elektronischer Musik.
Für den Funk, wo ich mich am besten auskenne, wobei ich mir im Vorbeigehen die Frage erlaube, warum ausgerechnet der Funk und sein Autor auf diesem Kongreß so auffallend ausgespart wurden? -
Für den Funk ließe sich das so zuspitzen:
Und an späterer Stelle seines Referats: Es ist mir sicher, daß nur auf ganz freie Weise, unter Benutzung lyrischer und epischer Elemente, auch essayistischer, in Zukunft wirkliche Hörspiele möglich werden, die sich zugleich die anderen Möglichkeiten des Rundfunks, Musik und Geräusche, für ihre Zwecke nutzbar machen (3).
1968 hat Helmut Heißenbüttel auf der "Internationalen Hörspieltagung" in Frankfurt in einem "Horoskop des Hörspiels" diese Rangfolge Döblins bestätigt, als er dem Hörspiel, das er als Hörsensation begriff, zwei Grenzpole zuwies, die pure Nachricht auf der einen und die musikalische Sublimation des Sprachlichen auf der anderen Seite.
Abstrakt formuliert: Jeder, der sich mit der Entwicklung und Geschichte einer Radiokunst beschäftigen will, wird davon ausgehen müssen, daß zwischen der technischen Apparatur (Mikrophon-Kanal-Lautsprecher), den Programmmachern (Sender) und den Programmempfängern (den Hörern) Beziehungen, Wechselverhältnisse bestehen, die stets mitzubedenken sind.
Noch einmal anders und zugleich als These für das Podium zugespitzt: die technische Apparatur, die Rechenmaschine ist das Medium, an dem sich der Netzautor und der Internetnutzer treffen und deren Bedingungen sie zu berücksichtigen haben.
Angesichts der Heterogenität des Internetangebots, dem ich heute praktisch alles und nichts entnehmen kann, bringt mich ein letztes Zitat Döblins, dessen Collage-Epos "Berlin Alexanderplatz" ja ein ganzes Medienpaket geschnürt hat, zur Autorfrage zurück, indem ich einen Blick auf das im Schiller-National-Museum in Marbach in fünf Mappen aufbewahrte Konvolut der ersten zusammenhängenden Niederschrift werfe: eine im Grunde genommen synthetische Collage.
In schwer leserlicher Handschrift beschrieben, enthalten die [in der Regel] Oktavbogen des Manuskripts zahlreiche eingeklebte oder mit Büroklammern befestigte Supplementzettel, eine eingeklebte Ansichtskarte des Weltreisenden Johann Kirbach (eine reale Kontrastfigur zu dem ausschließlich um den Alexanderplatz kreisenden fiktiven Franz Biberkopf). Sie enthalten einen Patientenbrief, ein Mädchentagebuch, Ausschnitte von Wetterberichten, Zeitungsausschnitte u.a. über den Berliner Fremdenverkehr, politische Zeitungskommentare, Ausschnitte aus einem Berliner Amtsblatt, einem Lesbierinnen-Roman, der Gärtnerecke einer Zeitung und vieles andere mehr, eine Welt also in heterogenen Fragmenten, die der Autor zu einer neuen, ästhetischen Welt zusammengefügt hat, angesichts derer es Aufgabe des Lesers ist, das Nacheinander dieser Elemente im Akt des Lesens sich nebeneinander und ineinander zu fügen zu einem vielschichtig polyphonen und polyperspektivischen Ganzen.
Dabei hat Döblin die auch für unser Podium aktuelle Frage, ob es auf den Autor überhaupt noch ankomme, da ja der Leser den Text herstelle, für den Autor längst beantwortet, als er angesichts der Fülle seines Materials, das er als Dokumente unverfälschten Lebens begriff, anmerkte: das sei alles so herrlich und [in] seine[r] Mitteilung so episch, daß er selbst gänzlich überflüssig dabei sei.
Stimmt meine These, daß sich im Medium der Apparatur Internetnutzer und Netzautor treffen, müssen sich Autor und Leser auf die Syntax dieses Medium einlassen. Und das heißt auf programmgesteuerte, elektronische Rechenanlagen, die ursprünglich [...] für die Bedürfnisse der praktischen Mathematik und der rechnenden Technik entwickelt wurden aber darüber hinaus eine Vielfalt der Anwendungsmöglichkeiten boten und bieten. Für die Benutzer derartiger Rechenanlagen, in diesem Fall den Autor ist es nicht entscheidend, was die Maschine tut, wichtig [...] allein ist, wie er die Funktion der Maschine interpretiert.
Als wir uns 1959/1960 in Stuttgart daran machten, mit Hilfe der Großrechenanlage ZUSE Z 22 "Stochastische Texte" herzustellen, interpretierten wir wissenschaftlich, indem wir mit Hilfe einer elektronischen Rechenanlage Häufigkeitswörterbücher herstellten und für exakte statistische und ästhetische Textanalysen nutzten; wir interpretierten aber auch aesthetisch, indem wir das Verfahren der Herstellung von Wortindices praktisch umkehrten und die Rechenanlage anwiesen, mit Hilfe eines eingegebenen Lexikons und einer Anzahl von syntaktischen Regeln Texte zu synthetisieren und auszugeben.
Eine frühes (erstes?) Programm von Theo Lutz aus dem Jahre 1959, das aus circa 200 Befehlen bestand, brachte aus heutiger Sicht zwar noch kein aufregendes Ergebnis, hatte aber für uns den Wert einer Inkunabal "künstlicher Poesie", die Max Bense kurze Zeit später theoretisch von der "natürlichen Poesie" unterschied, wobei sich - was die Sache besondes aufregend machte - eine Begriffspaar aus dem "Allgemeinen Brouillon" des Novalis in seiner Bedeutung geradezu umkehrte, aber auch ein Prospekt Guilleaume Apollinaires Brisanz gewann, der in seinen "Poésies" erklärt hatte:
Die Zeiten der persönlichen Dichtkunst mit ihren relativen Taschenspielereien und zufälligen Verdrehungen sind vorüber. Nehmen wir den unzerstörbaren Faden der unpersönlichen Dichtkunst [= littérature impersonelle, R.D.] wieder auf,
und in "L'Esprit nouveau et les Poètes" aus dem Jahre 1918, der gelegentlich auch als Testament Apollinaires bezeichnet wurde, die Prognose wagte:
Es wäre sonderbar gewesen, wenn die Dichter in einer Zeit, da die Volkskunst schlechthin das Kino, ein Bilderbuch ist, nicht versucht hätten, für die nachdenklicheren und feineren Geister, die sich keineswegs mit den groben Vorstellungen der Filmproduzenten zufrieden geben, Bilder zu komponieren. Jene Vorstellungen werden sich verfeinern, und schon kann man den Tag voraussehen, an dem die Dichter, da Phonograph und Kino die einzigen gebräuchlichen Ausdrucksformen geworden sind, eine bislang unbekannte Freiheit genießen werden. Man wundere sich daher nicht, wenn sie sich, mit den einzigen Mitteln, über die sie noch verfügen, auf diese neue Kunst vorzubereiten versuchen, die viel umfassender ist als die einfache Kunst der Wörter und bei der sie als Dirigenten eines Orchesters von unerhörter Spannweite die ganze Welt, ihre Geräusche und Erscheinungsformen, das Denken und die Sprache des Menschen, den Gesang, den Tanz, alle Künste und alle Künstlichkeiten und mehr Spiegelungen, als die Fee Morgana auf dem Berge Dschebel hervorzuzaubern wußte, zu ihrer Verfügung haben werden, um das sichtbare und hörbare Buch der Zukunft zu erschaffen. [Beide Zitate in der Übersetzung Ré Soupaults.]
Diese Forderung einer unpersönlichen Poesie, dieser Prospekt eines infolge der neuen Medien cinéma und phonographe zu schaffenden sichtbaren und hörbaren Buches der Zukunft formulieren zentrale ästhetische Vorgaben für die Künste des 20. Jahrhunderts, die sich durch eine Tendenz zum Dialog der Künstler und Künste untereinander, zu einer dialogischen Kunst auch mit dem Leser auszeichnen.
Da sie offensichtlich sind, muß ich die zahlreichen sich hier andeutenden Parallelen nicht Schritt für Schritt auf eine Netzliteratur, die ja zur Diskussion steht, übertragen. Ich wende mich deshalb auf der Basis von Experimenten, die Johannes Auer und ich gemacht haben, direkt der Frage "Literatur im Internet" zu und unterscheide dabei zunächst zwischen
Netztext und Text im Netz.
Natürlich kann ich heute Texte typographisch mehr oder weniger geglückt in den PC eingeben und ins Netz stellen. Dann benutze ich, wie viele Internetnutzer, den PC und das Netz reproduktiv als Vervielfältigungsmaschine und bilde mir möglicherweise sogar noch ein, nun weltweit wahrgenommen zu werden.
Bei diesen Texten trennt - negativ - der direkte Zugang des Autors zum Netz nicht mehr die Spreu vom Weizen , läßt aber andererseits - positiv und unambitioniert - auch Texte zu, die dem Sachunverstand der Lektorate zum Opfer fallen könnten. Ich möchte diese Texte als Texte im Netz bezeichnen und sie den traditionellen Privatdrucken vergleichen.
Erst wenn Bedingungen des Internets, als deren wichtigste ich den Link nenne, den Text contextuieren, also von einem Text zu einem anderen Text Verbindungen herstellen, beginnen die Möglichkeiten des Internets und seiner Schreibmachine produktiv zu werden, ensteht eine einfache Form eines Netztextes, die in dem Maße komplexer wird, in dem für den freilich gesteuerten Leser die Auswahl möglicher Verbindungen zunimmt oder ihm - durch Zufallsgeneratoren - eine ständig sich neu generierende, instabile Welt aus Texten zur Verfügung gestellt wird.
Solche Hypertexte ohne Bild, Ton, Animationen etc. im Sinne der von Michael Joyce und anderen entwickelten Hyperfiction zeichnen sich durch eine häufig recht komplexe, oft nicht-lineare Struktur aus und stellen inzwischen eine etablierte Kunstform des Internets dar, zu der allerdings zweierlei anzumerken wäre.
Interaktivität
Es liegt im Willen des im Internet veröffentlichenden Autors, wie weit er dabei dem Leser bei der Lektüre freie Hand geben will, was für mich die Frage nach der vielbeschworenen Interaktivität, die ich lieber Dialog nennen würde, einschließt. Ich gebe drei Stuttgarter Beispiele:
1. Das "Poet's corner'le als eine offene und variable Anthologie,
Desgleichen bei unserem die Tradition des Kettengedichts, des Renga / Renku / Renshi aufgreifenden "Poem chess" durch ein den Autoren vorgegebenes thematisches Raster.
- und einen zweiten zwischen diesem Grundtext und dem Leser, der variabel nach den Regeln des Spiels sich seine Texte herausliest.
Hier geht Susanne Berkenheger nicht erst
bei ihrem Experiment "Hilfe" einen Schritt weiter und davon aus, dass
im internet jeder lesevorgang seine spuren hinterlaesst. im gegensatz zu
fernsehen, print, radio etc., fliessen die informationen im internet *immer*
in zwei richtungen. dadurch hat fiction im internet auch eine naehe zu
direkten darstellungsarten wie theater. zumindest koennte sie das haben,
wenn die spuren denn gelesen werden, vom programm. das heisst, der internetautor
muss das natuerlich vorsehen.
jedenfalls mit dieser leserspur (rezeptionsspur),
die das - wie gesagt meiner meinung nach das alles entscheidende novum
des im internet moeglichen ausmacht - sollte internetliteratur arbeiten,
auf sie reagieren, beziehungsweise eine art maschine sein, die darauf reagiert.
verflechtung, netzwerk, diese uralten
ideen,ist Susanne Berkenheger überzeugt, beleuchten nur die
oberflaeche, feiern [...] einen truegerischen schein vom befreiten leser
im internet, vom tod des autors, vom fluechtigen textgewebe [...]
mag sein, dass der autor stirbt, aber
in derselben sekunde noch steht er wieder auf als manipulator, der im hintergrund
die faeden zieht.
mag sein, dass texte von festplatten
fluechten koennen, der lesevorgang jedenfalls, die rezeption, die bislang
das fluechtigste, intimste war, die hinterlaesst ploetzlich spuren, und
kein leser, weiss je, wie viele.
der witz dabei ist, dass ich dadurch
als autor eine art dialog inszenieren kann, ich kann den text so programmieren,
dass er darauf reagiert, wie er jeweils gelesen wird, vision: eine art
ki-fiction.
Die(se) Idee, einen Dialog zu inszenieren, spukte nun freilich schon in den Köpfen von Hörspieltheoretikern herum. Und die in der Regel kommerziell reproduktive, künstlerisch aber auch produktive Nutzungsmöglichkeit der neuen Medien ist ein altes Problem, für dessen Skizze ich noch einmal in die 20er Jahre zurückkehren muß.
Die ersten Programme des Radios hatte Bertolt Brecht in einer undatierten Notiz - "Radio - eine vorsintflutliche Erfindung?" - als kolossalen Triumph der Technik ironisiert, der es ermögliche, nunmehr einen Wiener Walzer und ein Küchenrezept endlich der ganzen Welt zugänglich machen zu können. Solle die Erfindung wirklich Sinn haben, müsse das Radio produktiv gemacht werden.
Die Lösung kam von einer anderen Seite und markiert zugleich die Anfänge des Internets.
Kurz nach dem Ende des 2. Weltkriegs stellte [nämlich] der Ingenieur Vannevar Bush, zu jener Zeit wissenschaftlicher Berater des US-amerikanischen Präsidenten Roosevelt, den Entwurf für eine Maschine vor. Diese Maschine, MEMEX (MEM(ory)-EX(tender)) genannt, von der Größe eines Schreibtisches, sollte alle Schriftdokumente auf der Basis eines Microfiche-Systems der Menschheit griffbereit halten. Und jeder Lesende sollte die Dokumente miteinander verknüpfen und weitere Informationen hinzufügen können. Der so gemeinsam gewobene "Welt-Text" sollte alles Wissen verfüg- und handhabbar machen.
Was Vannevar Bush und Bertolt Brecht nach dem jeweiligen state of the art fordern ist letztlich der Übergang von der passiven Mediennutzung zur interaktiven Mitautorschaft. Und genau diese Möglichkeit bietet das Internet zum ersten Mal in der Mediengeschichte. [Auer]
In cyberspace, zitiere ich das geflügelte Wort Benjamin Whooley's,
In cyberspace everyone is an author, which means no one is an author: the distinction from the reader disappears. Exit author..."
Heute böte - und Susanne Berkenhegers Experiment oder Olia Lialinas "My boyfriend came back from the war" zum Beispiel [ferner "Anna Karenin goes to paradies"] scheinen mir dies zu bestätigen - das Internet die Möglichkeit, auch die zweite Forderung Brechts zu erfüllen, den Dialog mit den Benutzer, wenn auch auf einem anderen technischen Spielfeld, Realität werden zu lassen, gegen den Einbahnverkehr der Datenautobahn künstlerische Kommunikation in alle Richtungen zu betreiben.
Freilich, die Möglichkeiten sind noch beschränkt, vieles von dem, was zum Beispiel Johannes Auer und ich eigentlich wollen, scheint noch nicht machbar. Erinnert man sich jedoch daran, in welchem Maße die nicht literarischen Bedingungen, das Mikrophon z.B., die Ultrakurzwelle, die Stereofonie und Kunstkopfstereofonie und schließlich die Digitalisierung der Aufnahme die Genese des Hörspiels mitbestimmt haben, läßt sich angesichts der rapiden technischen Entwicklungen in der Computerindustrie auch für das Internet ein schneller Zugewinn an ästhetischen Spielmöglichkeiten voraussagen, die es allerdings und nicht im Einbahnverkehr zu nutzen gilt. Vorausgesetzt, der Autor überläßt das Internet nicht ausschließlich den Programmierern und versteht sich selbst als Künstler einer (radikal) sich wandelnden Medienkultur.
Wenn auch die diesjährige "Woche des Hörspiels" in Berlin bedenklich schloß, die gleichzeitige erste "Medienkunst-Biennale" zeigte mit einer ganzen Reihe experimenteller Performances neue Perspektiven: Hip-Hop, Rap oder Techno wurden mit Texten und Bildern kombiniert, wobei die Bühne von Aufzeichnungsgeräten und Computern dominiert war. Und das bereits zeigte, worauf die Intermedium letztlich zielt: eine Kunst, deren Instrumentarium die alten und neuen elektronischen Technologien sind und die, durch die Zusammenführung im gemeinsamen digitalen Aufschreibsystem, die alten Gattungsgrenzen nicht mehr kennt.
Radiokunst geht bereits, soweit sich die Rundfunkanstalten für die neuen Technologien und das Medium Internet geöffnet haben, mehr und mehr in einer so definierten Medienkunst auf. Das traditionelle Hörspiel, beim Bayerischen Rundfunk bezeichnenderweise im Ressort "Hörspiel und Medienkunst" verwaltet, tendiert zur Selbstauflösung, findet zunehmend als eigenproduzierte Medienkunst außerhalb der Sender statt und wird per CD-Rom oder Internet verbreitet. Bei Ausschöpfung der interaktiven Möglichkeiten könnte dies aber letztendlich gar nicht so überraschend zu einem visuell-akustisch-textuellen Spiel neuen Typs führen, vielleicht zu dem von Lautreamont prognostizierten sichtbare[n] und hörbare[n] Buch der Zukunft.
Noch war in Berlin freilich "Medienkunst" eng gefaßt (dominierte durch die parallele "Woche des Hörspiels" eine Klangkunst). Das Netz, die Computerkunst und die dazugehörigen interaktiven Elemente blieben noch weitgehend außen vor. Daß sich das bis zur "Intermedia II", 2001, die vom Bayerischen Rundfunk und dem ZKM verantwortet werden wird, ändern könnte, ist allerdings anzunehmen.
Unter diesen Erwartungen ist - und damit komme ich zum Schluß - auch die Frage nach den ästhetischen und inhaltlichen Herausforderungen nicht einer Literatur im Netz, wohl aber einer Netzliteratur zu diskutieren.
Literaturhinweise
Johannes Auer: Lesen
und Schreiben im Internet
Johannes Auer: Der
Leser als DJ oder was Internetliteratur mit HipHop verbindet
Reinhard Döhl: Ansätze
und Möglichkeiten künstlerischen Dialogs und dialogischer Kunst.Ein
Überblick.
Reinhard Döhl: Von
der ZUSE Z 22 zum WWW.
Reinhard Döhl: Keinort
Stuttgart / nirgends